Weinperlen für die weite Welt
Wein in Dosen, manch etablierter Weinfreund wird reflexartig die Hände überm Kopf zusammen- schlagen. Denn Wein als Kulturgut – das weiß man spätestens seit den Debatten über Kronkorken und Tetrapak – gehört in Flaschen, schließlich genießt das Auge mit. Letzterem stimmt auch der Wengerter Da- niel Kuhnle aus Weinstadt-Strümpfelbach (Rems-Murr-Kreis) zu. Aber die Dose hat er trotzdem ins Weingeschäft eingeführt. Und in der guten alten Blechdose, in der ehedem 200 Gramm Wurst Platz gefunden hätten, ist „was ganz Neues“: Weinperlen, von Alginatkapseln ummantelter Remstalwein,
von dem die Erfinder fest glauben, dass sie den Zeitgeist nicht nur hier, sondern auch in China treffen. „Die Rieslingperlen, das ist der Burner, die jungen Leute stehen auf so was“, sagt Kuhnle dazu.
Die Frage, wie man mit dem Wein aus dem Remstal auch im fernen China, dem größten Markt der weiten Weinwelt, Fuß fassen könnte, habe tatsächlich am Anfang der vinologischen Innovation gestanden, sagt Daniel Kuhnle. Und da ist sein Bekannter Uli Brunner ins Spiel gekommen. Der pflegt nämlich nicht nur allerlei geschäftliche Kontakte nach Hongkong oder Peking, sondern hält auch die Patentrechte für ein Verfahren, mit dem Gewürze oder andere Lebensmittel in Alginatkapseln einge- schlossen und so in allerlei Formen vor allem in der Molekularküche eingesetzt werden. Warum die rein vegane Hülle nicht auch mit Wein füllen und ein ganz anderes Geschmackserlebnis mit Blubb schaffen, lautete sein Vorschlag – und das Ganze als innovatives Produkt in der Retro-Blechdose. Da hält sich die Weinperle letztlich auch besser als im durchsichtigen Glas, ergänzt Daniel Kuhnle pragmatisch. Ende des vorigen Jahres haben die beiden das Projekt gestartet: mit Weißweinperlen zunächst, die laut dem Aufdruck auf dem Dosenetikett zu 95 Prozent aus Wein bestehen – edelsüßem Riesling vom Strümpfel- bacher Nonnenberg in diesem Fall, Mindesthaltbarkeit vier Jahre. Sie zieren, so lautet das kulinarische Versprechen, Vorspeisen oder Desserts ebenso wie Sushi, Soßen oder Secco.
Seit Mitte Februar ist die Neuheit auf dem Weinmarkt. Und weil die ersten Chargen der Weinperlen im Remstalmarkt Mack in Weinstadt und im Direktversand vom Weingut aus weggingen wie die sprich- wörtlichen warmen Semmeln, hat Uli Brunner flugs für Nachschub sorgen müssen. „In den vergangenen Wochen waren wir dreimal ausverkauft“, sagt Brunner und lacht über den Coup, über den zunächst mancher gespottet habe.
Nach Hongkong hat der Mann bereits die erste Ladung losgeschickt. Demnächst starten die Flieger, die Händler in Hongkong, Peking, Ningbo oder Zhengzhou mit einer Erstausstattung der Beigabe einde- cken. Im heimischen Remstalmarkt in En- dersbach präsentiert wiederum Daniel Kuhnle dieser Tage die eingedosten Wein- perlen: nicht nur die Weißweinperlen der ersten Stunde, sondern inzwischen auch die mit Muskattrollinger gefüllten Roséperlen zum Secco und die kräftigen Rotweinperlen mit Syrah als Beilage zum Fleisch in der Grillsaison oder zum Käse. Ein weiteres Produkt wird demnächst die Palette der Genussperlen ergänzen: die Schnapsversion mit Williams Christ.